Freitag, 1. April 2011

2. Ausflug in die Denkweise von leider so einigen Studioinhabern

(Vorheriges Kapitel: Kapitel 1)


Bevor wir so richtig loslegen, muss erst einmal klar gemacht werden, worum es hier genau geht. Klar, eine Tonregie, soweit waren wir schon mit der Einleitung.

Aber was genau sind die Grundvoraussetzungen?


Nun, dazu sei erst einmal gesagt, dass das Mixing- und Mastering-Studio, welches ich seit ca. 11 Jahren betreibe, im Laufe der Zeit natürlich insbesondere was das Equipment angeht, gewachsen ist, so wie viele andere Studios auch. Die Leser dieses Blogs, die sich also mit der Materie ohnehin schon beschäftigen, werden mir beipflichten wenn ich behaupte, dass so ein Studio fast schon automatisch immer teurer und "edler" wird. Logisch eigentlich, denn man schafft sich ja immer mehr Equipment an und das wird ja immer besser und nicht schlechter als das davor.

So kommt es also, dass man irgendwann mit Fug und Recht behaupten kann, dass man irgendwo beim berühmten "Hi-End" angekommen ist, zumindest was die stromfressenden Geräte angeht, die man in allen möglichen Racks angesammelt hat, die wahnsinns Endstufen oder auch die tollen Abhörmonitore (die man übrigens immer noch nicht auf die Meterbridge eines möglichst dicken Pultes stellt, sondern dahinter) etc.pp...

Aber sein wir doch mal ehrlich: Wer macht sich wirklich die Mühe, seinen Regieraum erst einmal von einem unabhängigen Studioinstallateur ausmessen zu lassen um dann festzustellen, dass genau das, was alle schon immer geahnt haben, stimmt: Das ganze Equipment ist ja gut und schön und toll und war auch schön teuer, aber der Raum macht - wenn man ehrlich ist - den tollen Sound, der hörbar sein sollte, in Wirklichkeit kaputt. Antwort: So gut wie niemand. Und das ist schade...

Klar, man kann auch ohne eine korrekte Raumoptimierung arbeiten, denn das Ohr (und viel wichtiger das Hirn) kriegt es ja irgendwie hin, "um die Ecke zu hören" und so einige Fehler bei der Wiedergabe von Klangmaterial, an die man sich oft über Jahre hinweg gewöhnt hat, scheinbar auszublenden. Man meint, man trifft die richtigen Entscheidungen und vielleicht tut man das auch, weil man sich über die Jahre ganz einfach die Erfahrung angeeignet hat, zu wissen, wie der Mix klingen soll damit es woanders (halbwegs) gut klingt. Aber in Wirklichkeit bedeutet das nichts anderes, als die Fehler sozusagen ganz einfach mit zu mischen / zu mastern. Nicht wirklich gut, denn das ist in Wirklichkeit unkontrolliert und sonst gar nichts.

Nun, das ist ähnlich wie bei MacDonalds zu essen oder die Bild-Zeitung zu lesen: Einen selber geht das ja alles nix an. "Ist doch super hier im Raum". *Gähn!* Nö, ist es nicht! Und es gehört schon eine ganze Portion Mut dazu, sich so einer Messung zu stellen um danach zu wissen, dass in einem heiß geliebten Raum alles höchstwahrscheinlich grässlich klingen dürfte.

Aber unter uns: Niemand sieht, wenn Sie sich hier ein wenig oder auch sehr stark wieder finden können. Geben Sie sich also ruhig dem leckeren Anblick eines saftigen Akustik-Burgers hin. Morgen können Sie ja wieder sagen, dass Sie das alles nichts angeht und dass dieser Blog scheiße ist...

Was Ihnen vielleicht wenigstens ein bisschen den Anblick des vor Ihnen liegenden Burgers schmackhaft machen könnte, sind meine eigenen Motivationen, sich diesem Umbau hinzugeben: Ich persönlich hatte es nämlich gehörig satt, tonnenweise Equipment einzukaufen, was pro Gerät oder Kabel mindestens das Zehnfache des Preises für ein Gerät gleicher Funktion auf Niveau eines Heim- oder Projektstudios kostet, während man sich aber räumlich gesehen - Ehrlichkeit wieder vorausgesetzt und die kommt spätestens mit den ersten Messergebnissen! - mit einem Sound umgibt, der kaum besser sein dürfte als der eines solchen "Billig"-Studios.

Nun hat man ein Problem, insbesondere wenn man schon - wie ich auch - schon etwas am Raum vorbereitet hatte und sich 100%ig sicher war, dass das schon halbwegs stimmen müsste. "Vielleicht könnte das hier und da doch besser sein", oder "In dem und dem Frequenzbereich braucht es schon länger als gewünscht, eine eindeutige Entscheidung zu treffen, aber es geht ja irgendwie..." sind da die Indikatoren, die einem die nötigen Alarmglocken zum Schellen bringen und darauf hinweisen sollten, dass tatsächlich etwas nicht stimmt. Hierzu muss man stehen! Sonst kommt man nie auf einen grünen Zweig.

Einer solchen Messung habe ich meinen Regieraum, der aus dem alten Studio in Viersen zu allem Übel auch noch einen Umzug mitsamt sämtlicher akustischen Maßnahmen hinter sich hatte, dann auch unterzogen. Und plötzlich zeigt sich, dass die vagen Befürchtungen, die sich in Sätzen wie den oben zitierten äußern, plötzlich bittere physikalische Wahrheit werden: Fehlende Symmetrien, schreckliches Ausschwingverhalten des Raums, dicke fette "Beulen" im Frequenzspektrum mit dramatischen Erhöhungen und Senken in bestimmten Frequenzbereichen, nachgewiesene Flatter-Echos, unerwünschte Kammfiltereffekte undundund... Die Liste der gemessenen Grausamkeiten scheint erst einmal kein Ende zu nehmen... Und dass, obwohl man doch schon so viel Zeit, Geld und Geduld in dieses ganze Zeugs investiert hat - Geräte UND irgendwelche Absorber oder was auch immer...

Kein schöner Zustand, der aber nur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Mensch, der die Messung vorgenommen hat, dann endlich mit dem rettenden Satz: "Das kriegen wir hin. Wird nur entweder super viel Arbeit oder sauteuer oder beides..." ankommt, während er das süffisante Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommt. Gut, wenn dieser grinsende Mensch dann so ein feiner Kerl und fachliches Genie wie Fritz Fey ist.

Der schnappt sich dann die Maße des Raums, simuliert noch mal alles am Computer, vergleicht die gemessenen Ergebnisse damit, stellt fest, dass Theorie und Praxis überein stimmen und "baut" einem erst einmal virtuell ein schickes neues Studio, was es dann umzusetzen gilt. Und zu Maßen, Fakten und Zahlen kommen wir - soweit nötig und möglich! - jetzt im nächsten Kapitel, wenn sich die Schnappatmung des (gerade nicht mehr so geneigten) Lesers wieder beruhigt hat.

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